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In Progress

1.2 Die Entstehung der klinischen Forschung

Als die Geburtsstunde der modernen klinischen Forschung wird ein Experiment des schottischen Schiffsarztes James Lind aus dem Jahr 1747 bezeichnet. Lind suchte nach einem Mittel gegen Skorbut, einer Vitaminmangelkrankheit, unter der besonders Seeleute litten. Obwohl man damals bereits den positiven Effekt von Zitrusfrüchten erahnte, waren diese noch nicht die erste Wahl bei der Behandlung von Skorbut. In einem Experiment studierte Lind die Auswirkungen unterschiedlicher Ernährungspläne, die er anhand von sechs Gruppen erkrankter Seeleute untersuchte. Dabei konnte er zweifelsfrei feststellen, dass Zitrusfrüchte (Orangen und Zitronen) zur schnelleren Genesung führen.

Seitdem ist der Bereich der klinischen Forschung stark formalisiert worden:



Wichtigkeit dieser Entwicklungen

Bis weit in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts gab es keine ausreichenden Vorgaben für die Entwicklung neuer Medikamente. Erst nach der „Contergan-Katastrophe“ (1958 – 1961) wurden klarere Vorgaben für die durchzuführenden Untersuchungen konzipiert. So entstanden die ersten Arzneimittelgesetze, die den Verkehr mit Arzneimitteln, aber auch deren Entwicklung regeln (1974 in den USA, 1976 in Deutschland). Seit Anfang der 1990er Jahre entwickeln sich gemeinsame Standards wie klinische Prüfungen durchgeführt werden müssen, um die (körperliche) Sicherheit der Prüfungsteilnehmenden zu schützen, aber auch um die Einhaltung derer Rechte zu gewährleisten (z.B. Freiwilligkeit der Teilnahme nach umfassender Aufklärung oder Belange des Datenschutzes). Außerdem wurden Standards entwickelt, um wissenschaftlich aussagekräftige und valide Ergebnisse zu erhalten. Trotz all dieser Vorsichtsmaßnahmen kann es immer wieder zu Vorfällen kommen, bei denen Prüfungsteilnehmende geschädigt werden:

Der Vorfall „TeGenero”

TeGenero war ein biotechnologisches Unternehmen, das monoklonale Antikörper zur Stimulation von T-Zellen entwickelt hat. In den präklinischen Daten hatte nichts darauf hingewiesen, dass das Prüfpräparat gefährlich für den Menschen sein könnte. Entsprechend wurde die erste Phase I Studie (Erstanwendung am Menschen, „First-in-Man”) von der Ethikkommission und den Behörden genehmigt. Sechs der Prüfungsteilnehmenden bekamen das aktive Medikament, zwei das Placebo. Im Rahmen von 24 Stunden erlitten die sechs Teilnehmenden, die das aktive Medikament bekommen hatten, starke Schmerzen und einen sogenannten „Zytokin-Sturm“, wodurch eine Behandlung auf der Intensivstation nötig wurde. Einer der Prüfungsteilnehmenden verlor alle Zehen und Teile der Finger. Bei einigen Teilnehmer wurde in der Zwischenzeit Krebs diagnostiziert. Unklar ist, welche Schäden sie noch davongetragen haben.

Der Vorfall „Bial”

2015 kam es während einer Phase I Studie des Pharmaunternehmens Bial zu schweren Komplikationen bei sechs Prüfungsteilnehmenden. Einer der Teilnehmenden starb, andere erlitten Schädigungen unterschiedlichen Schweregrades und die Studie musste abgebrochen werden. Geprüft werden sollte ein neues Molekül, das noch keine globale Zulassung als Arzneimittel vorweisen konnte. Nachdem die nationale Arzneimittel-Agentur in Frankreich das Verfahren in Übereinstimmung mit geltenden Verfahren genehmigt hatte, bekamen bis zum Vorfall bereits 90 Personen das Präparat in unterschiedlichen Dosen. Ein unabhängiger Abschlussbericht bescheinigte dem Auftragsforschungsinstitut Biotrial schwere Versäumnisse bei der Durchführung der Studie.